Alexander Website Meine Zeit als Amazon-Fahrer Bin Ich dumm? Vom 09.12. bis zum 31.01. war Ich als Paketzusteller für Amazon tätig. Da der Konzern Amazon in Österreich nicht selbst Pakete liefert, war Ich bei einem Wiener Transport- und Kurierunternehmen names Veloce liefert, angestellt. Dabei handelt es sich um ein sogenanntes Subunternehmen von Amazon, welches sich um die Zustellung der Bestellungen kümmert. Jeden Tag werden eine Vielzahl solcher Subunternehmen von Amazon beauftragt, Aufträge in und um Wien an Ihre jeweiligen Empfangsadressen zu bringen. Die Größe dieser Unternehmen variiert zwischen Ein-Mensch-Unternehmen bis zu solchen, die eigene kleine Flotten haben. Wie etwa Veloce, wo zu meiner Zeit mehr als 50 Fahrer*innen angestellt waren. Die meisten dieser Subunternehmen bedienen sich illegaler Praxen um ihr Geschäft zu betreiben, dies wurde durch eine Untersuchung der Finanzpolizei offenbart und zeigt deutlich, dass der Gesamtkomplex Amazon Probleme birgt. Hier möchte Ich meine Erfahrungen schilden. [https://kontrast.at/amazon-razzia-oesterreich/ https://www.meinbezirk.at/mistelbach/c-lokales/ergebnisse-der-amazon-razzia-schlimmer-als-erwartet_a4440672 https://www.derstandard.at/story/2000123361429/schwarzarbeit-und-abgabenhinterziehung-bei-amazon-lieferanten] Aufmerksam auf die Stelle wurde Ich durch ein Inserat auf willhaben.at. Auf diesem war zu lesen, dass Paketzusteller für Veloce gesucht werden. Es wurde nicht erwähnt, dass die Pakete für Amazon ausgeliefert werden. Beworben wurde die Stelle mit einer „pünktlichen Auszahlung“ von 2100€ monatlich. Nachdem Ich mein Interesse an dieser Stelle bekundet hatte, wurde mir prompt ein „unverbindlichen Informationsgespräch“ angeboten. Erst bei diesem stellte sich heraus, dass Pakete für den Online-Riesen geliefert werden. Dieses Gespräch, welches mehr einem militärischen Planungsvortrag gleicht, wird mehrmals in der Woche angeboten und beschreibt Arbeitsalltag, Regeln, Bezahlung und Allfälliges präzise und streng. Fünf weitere Interessent:innen hatten an diesem Tag dorthin gefunden. Mit Masken und Abstand saßen wir dort etwa zwei Stunden und hörten zu. Wer anschließend noch Interesse an der Stelle hatte, wurde ins Büro weitergeleitet. Da mich die weiteren Schritte dieses Bewerbungsprozesses interessierten, meldete Ich mich. Anders als beim Vortrag, trugen die Mitarbeiter*innen dort keine Masken, hielten keine Abstandsregeln zu potenziellem Anfänger:innen ein und sprachen mich mit Du an. In diesem kurzen Gespräch wurden persönlichen Daten abgefragt, ein Termin für die Einschulung und in Folge den Arbeitsbeginn vereinbart. Eine Frage zum Beruf, wie mensch Sie aus anderen Jobs eventuell kennt, blieb aus. Die einzige Frage im Raum: Möchtest du hier überhaupt arbeiten? Zwei Tage später hatte Ich meine Einschulung. Bei der Einschulung handelt es sich um einen Zoom-Vortrag den Amazon-Angestellte für neue Fahrer:innen der Subunternehmen halten. Obwohl er im Internet gestreamt wird und eine globale Pandemie herrscht, wurde verlangt dem Vortrag in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers zu folgen. Er dauert etwa acht Stunden, besteht aus 213 Folien und soll zukünftige Fahrer:innen auf alle Eventualitäten vorbereiten. Dafür behandelt er eine breite Palette an Themen; wie ein Tag verläuft, wie die Zustellung funktioniert, wie der Scanner handzuhaben ist, welche Probleme auftauchen können, wie das Strafpunkte-System funktioniert und ähnliches, aber auch, dass es wichtig ist beim Ein- und Ausparken nach hinten zu schauen, dass Transporter keine Heckscheibe haben, dass es wichtig ist Pakete aus der Hüfte und nicht aus dem Rücken zu heben und dass es gefährlich ist, sich beim Stiegen-gehen nicht am Gelände festzuhalten. Das vermittelte Wissen wird dann in einem schriftlichen Test geprüft. Ist dieser positiv, darf mensch für Amazon Pakete ausliefern. Gemeinsam mit vier anderen zukünftigen Fahrern aus vier anderen Subunternehmen schrieb und bestand Ich diesen am darauffolgenden Tag. Die Arbeit Gearbeitet wird laut Vertrag an fünf von sechs Tagen zwischen Montag und Samstag, meistens ist jeder zweite Samstag dienstfrei. In der anderen Woche ist ein anderer Tag freigestellt. Nach Wunsch kann mensch auch jeden Tag außer Sonntag arbeiten. Dienstpläne über Monate und Wochen gibt es keine. Stattdessen werden in einer WhatsApp-Gruppe die Dienstpläne für ausschließlich den nächsten Tag normalerweise zwischen 19:00 und 21:00 verschickt (ur meier). Arbeitsbeginn ist je nach Zuständigkeit und Aufgabenbereich zwischen 07:00 und 11:00. Zu Arbeitsbeginn treffen sich alle Fahrer:innen mit ihren jeweiligen Transporter an den Veloce-Parkplätzen, welche sich in der Nähe der jeweiligen Amazon-Lager befinden. Auf diesen gibt es jeweils auch ein Container-Büro von Veloce. Neben einem Café-Automat und Dixie-Klos arbeiten hier die Dispatchers. Dabei handelt es sich um die direkten Vorgesetzten der Fahrer:innen. Sie koordinieren, disponieren und schicken Dienstpläne aus. Die meisten waren früher selbst Fahrer:innen. Sie sind dem Büro unterstellt. Alle Pakete, die in Wien ausgeliefert werden, werden in zwei Verteilerzentren zwischengelagert. Eines davon steht im Norden bei Großebersdorf, das andere im Süden bei der Perfektastraße. Hierbei handelt es sich um riesige Hallen, in der jede Nacht, die Touren für die jeweiligen Fahrer vorbereitet werden. Bei einer Tour handelt es sich um die Anzahl der Pakete/Stopps, die ein:e jeweilige:r Fahrer:in an einem Tag bekommt. Sie enthält zwischen 100 und 230 solcher. Manchmal mehr, selten auch weniger. Stopps und Pakete sind zu unterscheiden, da an einem Stopp mehrere Pakete abgegeben werden könnten. Die Arbeit ist beendet, wenn alle Pakete ausgeliefert sind, geliefert darf bis spätestens 21:00 werden. Diese Touren werden auf Schiebewägen vorbereitet und bekommen sowohl eine elektronische als auch eine analoge Kennzahl. Aufgrund der riesigen Anzahl an Pakete, die jeden Tag unterwegs sind, werden die Fahrer:innen in Wellen organisiert. Zuerst wird gewartet und sobald sie die Erlaubnis haben vom Wartebereich zur Halle zu fahren, haben sie 10 Minuten um ihre Tour im Schiebewagen zu finden, diesen zum Transporter zu bringen, dort alle Pakete einzuscannen um zu überprüfen dass keine fehlen, den leeren Schiebewagen zurückzubringen, und sich zur Abfahrt bereit zu machen. Meistens reicht ein Schiebewagen nicht für die komplette Tour, daher muss des selbe Prozedere zweimal durchlaufen werden werden. Erleichtert (Optminiert) wird dieses indem die meisten Pakete in sogenannten Bags, also bunten Taschen zusammengefasst sind und es reicht das jeweilige Bag, stellvertretend für alle ihr enthaltenen Pakete zu scannen. Bei Paketen stellen sich die meisten ein klassisches Weihnachtspackerl vor, dabei fasst dieser Begriff verschiedene Formen, Größen und Gewichte zusammen – kleine Umschläge, dünne Mappen, Verpackungen – alles gilt als Paket. Neben den Bags gibt auch XL-Pakete, also große und schwere Pakete bis zu maximal 23kg. In der Halle geht es hektisch und wild zu. Alle sind gestresst, denn sobald die aktuelle Welle ihre Pakete geholt hat, müssen die Arbeiter:innen in den Hallen die nächsten Touren bereitstellen. Es bleibt keine Zeit für Fehler, aber irren ist menschlich. Fahrer:innen finden zum Beispiel ihre Tour nicht, weil sie verschoben wurde oder sie nehmen die Falsche. Manchmal sind die Wege zwischen Tour und Parkplatz auch einfach lang oder durch Schiebewägen-Staus versperrt. Es kann auch passieren, dass die zu scannenden QR-Codes überpickt oder unlesbar sind. Aber auch andere Kleinigkeiten stören den Ablauf. Selbst wenn alles reibungslos abläuft, bleibt wenig Zeit. Aufgrund der aktuellen Covid-19-Situation ist es wichtig Abstand einzuhalten und Masken zu tragen. Um dies und eine schnelle und effiziente Arbeitsweise der Fahrer:innen zu gewährleisten gibt es eigens angestellte Menschen die Langsamkeit, Fehler oder Missachtung der Regeln mit lauten Ermahnungen ahnden und auch nicht davor scheuen Leute anzuschreien. Um auf zeitliche Knappheit aufmerksam zu machen, benutzen sie außerdem Trillerpfeifen. An einigen Tagen wird durch die Lautsprecher der Halle laute Pop-Musik gespielt. Diese Hallen sind echt total Scheiße. Sobald mensch die eigene Tour verstaut und eingescannt hat, beginnt die eigentliche Arbeit, die Zustellung der Pakete. Der Dreh- und Angelpunkt dafür ist der sogenannte Scanner. Dabei handelt es sich um ein Smartphone mit vorinstallierter Amazon-Zusteller-App. Diese erstellt automatisch eine Route, an der alle Stopps abgefahren werden. Das Problem an dieser App ist, dass sie fehleranfällig unpräzise und schlecht durchdacht ist. Sie ist in ihrer Bedienung enorm frustrierend und unpraktisch. Ein Poststellenmitarbeiters, der mir einmal schmerzlich zusehen musste, als Ich 20 Minuten lang Pakete vor ihm abscannte, meinte dazu nur, dass diese App von und für Schreibtischmenschen gemacht und nicht für jene Leuten, die sie tagtäglich benutzen. Ich gab ihm Recht. Eine kurze Erklärung zu den Touren im Stadtgebiet. Die meisten meiner Touren fuhr Ich im nämlich in diesem. Die Touren sind so zusammengestellt, dass sich deren Zustellungsorte möglichst in der Nähe zueinander befanden. An einigen Tagen stand das Auto eigentlich nur und Ich holte und brachte bloß. Die Zustellung Die Zustellung der Pakete funktioniert im optimalen Fall so, dass die Bestellung direkt in den Händen der Kund:innen landet. Amazon hat, anders als andere Anbieter im urbanen Raum keine oder sehr wenige Abholstellen. Bei nicht-antreffen der Kund:innen sollen die Bestellungen Nachbar:innen zur Aufbewahrung gegeben werden. Das erfordert etwas Gefühl, Geduld und Überzeugung, da nicht alle dazu bereit sind fremde Waren anzunehmen. Erst wenn diese Beiden Möglichkeiten erschöpft sind und das Paket noch immer in den Händen der Arbeiter:innen ist, wird ein weiteres Zustellprotokoll eingeleitet. Da es sehr umständlich sein kann Pakete nicht zuzustellen, wird seitens der Arbeitgeber von Anfang an kommuniziert, dass dies nur in Ausnahmen möglich ist. Es gibt daher ein großes Bestreben seitens der Fahrer:innen möglichst alle Pakete einer Tour anzubringen. Sowohl bei der Schulung als auch danach wird davor gewarnt Pakete vor Haustüren abzustellen (selbst wenn dies der Wunsch der Kund:innen ist), denn beim Verschwinden einer Lieferung nach einer solchen Zustellung ist in erster Instanz stets der:die Zusteller:in Schuld: Sollten Kund:innen angeben, dass ihre Bestellung sie nicht erreicht hat, obwohl der:die jeweilige Fahrer:in diese als abgeschlossen gebucht hat (z.B. Sie wurde vor die Haustüre gestellt & entwendet), so erhalten die dafür zuständigen Fahrer:innen eine Concession. Dabei handelt es sich um sammelbare Negativ-Punkte, die von Amazon selbst an die jeweiligen Fahrer:innen für solche und andere Missverhalten vergeben werden. Wer eine gewisse Anzahl dieser Concessions über einen Zeitraum sammelt, muss mit zeitlich begrenzten Arbeitssperren bis hin zur Kündigung rechnen. Ein Pendant dazu, also positive Rückmeldungen gibt es nicht. Die Arbeit hängt an vielen, meist unbeeinflussbaren Faktoren ab: Wie viele Pakete sind es an einem Tag? Handelt es sich um ein bekanntes oder ein neues Liefergebiet? Liegen die einzelnen Stopps näher oder ferner zueinander? Sind die Pakete in riesige Wohnkomplexe oder einzelne Familienhäuser zuzustellen? Wie schnell findet sich ein Parkplatz? Sind die Kund:innen zu Hause? Sind die Nachbar:innen hilfsbereit? Diese und andere Unvorhersehbarkeiten prägen die Arbeit maßgeblich. Das hat zur Folge, dass Arbeitstage trotz ähnlicher Auftragslage total unterschiedliche Arbeitszeiten haben können. Für den Fall, dass an einem Tag diese Faktoren zu stark ausschlagen und Fahrer:innen deswegen überfordert sind oder voraussichtlich Schwierigkeiten haben ihre Arbeit pünktlich zu beenden, gibt es dafür eigene Rescues. Diese Rettungs-Fahrer:innen starten einen Tag ohne eigener Tour, nehmen aber dafür anderen Arbeit ab. Ein Treffpunkt wird ausgemacht und eine gewisse Anzahl an Paketen wird übernommen. Rescues werden von Dispatchs koordiniert. Umgekehrt kann es auch passieren, dass einzelne Fahrer:innen mit der eigenen Tour sehr rasch fertig sind, etwa dann wenn die erwähnten Faktoren günstig gewirkt haben. Dann kann es sein, dass diese selbst noch zu Rettungs-Fahrer:innen werden und andere unterstützen (müssen). Die Arbeit endet mit der Abgabe der leeren Bags und ausgefüllten Arbeitsbericht am Veloce Parkplatz-Container-Büro. Da diese nicht Nahe an den Liefergebieten liegen, kann dadurch oft noch eine Stunde Fahrzeit hin und anschließend nach Hause entstehen. Und das mit einem leeren Kleintransporter. Da diese Praxis offensichtlich nicht besonders nachhaltig (Treibstoffverbrauch, Leerfahrt, Klimakrise) ist, wartet häufig ein:e Rescue-Fahrer:in an einem zentralerem Ort um diese Sachen einzusammeln. Persönliche Erfahrungen Zuerst worüber Ich mich gleich aufregen und ärgern konnte: Sehr schnell stellte sich heraus, dass, um die Arbeit gut zu machen, Rodeln eine immens große Hilfe sind. Also diese Dinger mit Rädern und Griffen, auf denen Pakete gestapelt werden können. Sie nicht zu haben, bedeutet die bis zu 40kg schweren Bags z.B. in Gemeindebauten mit bis zu 50 Stiegen und ohne Zufahrt, rumtragen zu müssen – oder sie am Boden zu schleifen. Als Ich den Arbeitgeber in Form der Dispatchs um eine solche bat, wurde mir versichert, dass bald alle eine haben würden, es gäbe gerade so wenig. Bekommen habe Ich bis zum Ende meines Dienstverhältnisses keine. Während den kältesten Wintertagen, konnte es passieren, dass meinem Scanner während der Arbeit der Akku ausging. Da dachte Ich mir, es wäre doch richtig vom Arbeitgeber Powerbanks auszugeben. Ich konnte schon auch während den Autofahrten laden, aber es gibt kaum längere Strecken im Stadtgebiet, wo die Zeit zum laden gegeben ist. Und der Scanner muss ja für jeden Arbeitsschritt am Körper sein. Viele der anderen Arbeiter:innen hatte eigene – Ich wollte allerdings nicht einsehen warum der begrenzte Akkus meiner (nonexistenten) Powerbank für das Arbeitsgerät verbraucht werden sollte. Sogar bei meiner Zeit als foodora-Fahrer wurden Powerbanks zur Verfügung gestellt. Und das war wirklich eine Scheiß-Verein. Ich hab dann den Dispatch gefragt, aber es nie was zurückgekommen. In meiner Wahrnehmung ist ein Unternehmen, angestellt bei Amazon, das hat keinen Zugriff auf Powerbanks und Rodeln hat, unglaubwürdig und lächerlich. Und eines dass seine Arbeiter:innen nicht ordentlich ausstattet sowieso. Die nächste Krux waren Dienstplan und die Beantragung von freien Tagen. Zweimal ist es passiert, dass Ich für den Tag zum Arbeiten eingeteilt war, obwohl der frei sein sollte. Da das Dienstplanschreiben die letzte Aufgabe der Dispatches ist, bevor die in den Feierabend gehen, war auch niemand mehr erreichbar. Es gibt keine schriftlichen Beurlaubungen oder wöchentliche Dienstpläne, alles wurde so zwischendurch und mit Worten ausgemacht. Daher war Ich mir dann nicht sicher, ob Ich denn wirklich frei hab. Und wenn Ich nicht erscheine, dann ist es mein Wort gegen das der Dispatchs. Also habe Ich dann vor Arbeitsbeginn angerufen, um abzuklären, ob Ich denn freigestellt bin. Das ist ur ärgerlich, weil ja der Abend vor einem freien Tag nur dann angenehm ist, wenn der auch wirklich frei ist. Ich hatte dann eh jedes mal frei, aber solche Fehler sind extrem nervig. Grundsätzlich war die Arbeit aber von Monotonie geprägt. Fahren, liefern, fahren, liefern. Die meisten Tage waren also unaufregend, das Weihnachtsgeschäft kam und ging, das Wetter war meistens schlecht und so fuhr Ich herum. Den einzigen Gefallen habe Ich daran gefunden mir unbekannte Gegenden und vor allem Stiegenhäuser anzuschauen. Orte, an denen Ich jahrelang vorbeigelebt hatte, Rabenhof zum Beispiel, oder welche, die absolutes Neuland waren – Seestadt zum Beispiel, die im übrigen von offensichtlich intoxinierten Menschen nummeriert wurde. Nirgends musste Ich solange nach den richtigen Türen und Klingeln suchen, wie dort. Sogar Anreiner:innen hatten keine Ahnung wie Sie Ihre Nachbar:innen finden sollten. Ein nennenswertes Lowlight war als mir in meiner dritten Woche während einer Lieferung ein Paket gestohlen wurde. In einem Stiegenhaus, als Ich gerade eine andere Zustellung bearbeitete. Es war so ein riesiges XL-Paket und ganz schön schwer. Keine Ahnung wer oder warum, aber es folgten eine Diebstahlsmeldung bei der Polizei und ein detaillierterer Bericht beim Arbeitgeber. Das war echt total whacko und auch ziemlich unangenehm, weil Job eh schon mörderstressig aber sich dann noch so beobachtet und exponiert zu fühlen – extrem ungut. Anfang des neuen Jahre musste Ich mich dann immer öfter wegen der Dienstortseinteilung ärgern und streiten. In meinem Vertrag steht als gewöhnlicher Dienstort Großebersdorf, also DiV 1. Allerdings wurde Ich immer wieder in der Perfektastraße im DiV 2 eingeteilt. Angeblich weil dort zu wenige Fahrer:innen für zu viele Lieferungen waren. Das störte mich aus mehreren Gründen: Der Weg dorthin ist doppelt so weit, die Arbeit beginnt zwei Stunden früher und die Liefergebiete sind unbekannt, was automatisch einen längeren Arbeitstag bedeutet. Und am meisten störte mich, dass das genauso wie jeder andere Dienst auch kommuniziert wurde, nämlich am Abend davor. Ich habe wirklich kein Problem damit, wo auszuhelfen wenn es nötig ist, von mir aus auch mal spontan. Aber mehrmals in der Woche dieses intransparente Verfahren durchmachen müssen, das empfand Ich schon als Frechheit. Es ist derbe anstrengend jeden Abend hoffen zu müssen, dass der nächste Tag am normalen Arbeitsplatz stattfindet. Und außerdem ist es schon auch arbeitsrechtlich geregelt, so geht das nicht. Ich habe das dann angesprochen und auch Lösungsvorschläge eingebracht, etwa dass sich Fahrer:innen jede Woche Tage aussuchen können, an denen Sie aushelfen können. Bestimmt hätte es auch andere Vorschläge gegeben, aber es wurde auf das Abend-davor-System beharrt. Mitte Jänner wurde mir von den Dispatchs mitgeteilt, dass Ich zu einem Gespräch mit einem Amazon-Security eingeladen bin. Sowohl Dispatchs als auch Kolleg:innen wirkten überrascht ob dieser Vereinbarung, da es sich offensichtlich um die erste dieser Art handelte. Und es wusste auch niemand so Recht warum. Ausgemacht war, dass Ich an einem Morgen um 06:45 im DiV2 zu sein habe .Der Termin war so früh angesetzt, damit Ich anschließend um 07:30 mit der Arbeit beginnen konnte – genial. Nachdem Ich dort über eine halbe Stunde auf mein Treffen gewartet hatte, wurde mir mitgeteilt, dass mein Arbeitgeber Veloce diesen Termin zwar in meinem Namen vorgeschlagen hatte, dieser allerdings nie bestätigt wurde und es daher einen neuen brauche. Wow. Auf eine Nachricht oder Entschuldigung seitens des Büros wartete Ich vergeblich. Ich hatte diese Geschichte dann eigentlich vergessen, als Ich eine Woche später erneut einen Termin erhielt. Diesmal auch mit Inhalt des Gesprächs: das gestohlene Paket. Das Gespräch fand in einem getrennten Raum im Logistikzentrum unter vier Augen statt und war geprägt von beidseitigem Misstrauen. Geführt habe Ich es mit einem Angestellten einer Sicherheitsfirma, die sich dann einschalten, wenn Unregelmäßigkeiten auftauchen. Ich habe noch nie einen glitschigeren Menschen getroffen. Er stellte mir einen Haufen irrelevanter Fragen aus persönlichem Interesse. Ohne dass er je ausgesprochen wurde, stand der Verdacht, Ich hätte diese Bestellung entwendet, permanent im Raum. Natürlich, denn ohne diesen wäre das Gespräch nur noch substanzloser gewesen als es ohnehin schon war. Insgeheim hatte dieser Molch nämlich die Hoffnung, dass Ich mein unverzeihliches Verbrechen sogleich unter Tränen gestehen und um Gnade winseln würde. Das stand ganz offen in seiner dümmlichen Visage. Selbst nach meiner detaillierten Schilderung und Vorlegen der polizeilichen Diebstahlsanzeige, wurde behauptet, dass es sich hier nur um meine Seite der Geschichte handle. Die Wahrheit könne niemand wissen. Es war allerdümmste nüchterne Gespräch meines Lebens. Zum Schluss erklärte Ich noch ganz sachlich, dass es neben dem ohnehin schon stressigen Arbeitsalltag eine zusätzliche Belastung sei, sich permanent um potenzielle Diebstähle sorgen machen zu müssen und sich dies negativ auf die Psyche der Arbeiter:innen niederschlägt. Ich denke nicht, dass er das verstanden hat – schließlich benutzte Ich hier Worte für Erwachsene. Als dieses Gespräch endlich beendet war, wusch Ich mir Augen und Mund mit Desinfektionsmittel. Aber dieser Tag war noch lange nicht vorbei. Anschließend ging Ich zum Veloce-Parkplatz-Container-Büro zurück um meinen Arbeitstag zu beginnen. Dort wurde mir erklärt, dass es hier heute keine Tour für mich gebe und Ich zurück zum DIV1 fahren sollte. Das war das Gegenteil von dem, was mir im Vorhinein kommuniziert wurde: Termin im DIV2 – Arbeit im DIV2. Trotz meiner Beschwerden wurde darauf bestanden, es wurde sogar angedeutet, dass um etwas anderes ginge, worum genau konnte mir allerdings nicht gesagt werden. In meiner Naivität dachte Ich, dass meine gewöhnlichen Dispatchs mit mir das Gespräch nachbesprechen wollten. Nach einer Dreiviertelstunde Fahrt kam Ich an, ging ins Container-Büro und eine mir unbekannte Person, die sich als Dispatch zu erkennen gab, sagte mir Ich sei gekündigt. Der Grund sei, dass es momentan zu viele Fahrer:innen gebe und sie den Auftrag erhalte habe, mir das zu sagen. Damit machte Sie eindeutig, dass nachfragen bei Ihr keinen Sinn hatte. Nachdem die Kündigung ausgesprochen wurde, hielt Sie mir zwei Zettel vor und erklärte mir:'Hier sind die Kündigungen, die wir Vorschlagen: Einvernehmlich, ab sofort, du gibst jetzt Scanner, Personalkarte und Auto ab, Gehalt bis heute, das wars, auf wiedersehen. Oder du nimmst die Kündigung laut Vertrag und Kündigungsfrist, das heißt, du bist noch bis zum Monatsende bei uns angestellt. Und dann fügte sie noch ganz keck und freundschaftlich hinzu: 'Aber, Ich empfehle dir, nimm auf jeden Fall die erste, die Einvernehmliche, sonst bist du vier Wochen lang beim AMS gesperrt!' Nicht nur dass Ich keine Ahnung habe, ob Ich zu diesem Zeitpunkt überhaupt schon genug gehackelt hatte um Arbeitslosengeld zu beantragen, Ich hatte mir Vorgenommen mindestens zwei Monate im Dienstverhältnis zu bleiben, die Arbeit war an einigen Tagen lässig und es gab noch gewisse Dinge, die Ich innerhalb des Arbeitsverhältnis erledigt haben wollte. Also bat Ich Sie mir kurz Bedenkzeit zu geben, denn im ersten Moment wusste Ich tatsächlich nicht, was Ich wollte. Geschockt oder verletzt war Ich durch die Kündigung zu keinem Moment. Ich denke, dass Ich Sie mit meinem Verhalten auch etwas provoziert hatte. Die Bedenkzeit nutzte Ich unter anderem, um die Arbeiterkammer anzurufen und mir in einem kaum zehnminütigen Gespräch erklären zu lassen, dass die Aussage mit der Sperre beim AMS unwahr sei und der einzige der sich durch meine einvernehmliche Kündigung einen Vorteil erschaffen würde, mein noch-Arbeitgeber Veloce sei. Nice. Die neue Dispatchwar dann fast für eine Stunde nicht Jetzt kann natürlich davon ausgegangen werden, dass es sich hierbei um einen einmaligen Fehler gehandelt hat, ebenso dass es Zufall war, mich kurz vor dem zweiten Monat Dienstverhältnis, nachdem ja Sonderzahlungen fällig sind, zu kündigen und wirklich gerade zu viele Fahrer:innen, für zu wenig Arbeit, im Betrieb sind. lol [Dem widersprechen würde die Anzeige nach neuen Mitarbeiter*innen vom 04.02. – vier Tage nach Beendigung meines Arbeitsverhältnis] Dennoch, viele bei Veloce arbeitenden Menschen, sind junge Männer, u.a. mit Migrationshintergrund, ohne formaler Ausbildung. Dass es eine AK, Betriebsräte, Gewerkschaften auf Ihrer Seite gibt wissen trotz deren Bemühungen nicht alle – und sollte auch anderen mit der AMS-Täuschung eine einvernehmliche Kündigung schmackhaft gemacht worden sein, so werden diese wohl einige auch angenommen haben. Folglich entschied Ich mich also für die Kündigung laut Vertrag und wurde für diesen Tag Dienstfrei gestellt. Später erhielt Ich vom Büro einen Anruf, Ich solle doch bitte am nächsten Tag zu Dienstbeginn mein Auto und Arbeitsgerät abgeben, Sie hätten bisher schlechte Erfahrungen mit gekündigten Fahrer:innen gehabt und Ich sei daher bis zum Monatsende Dienstfrei gestellt. HAHAHAHAHAHAAHAHAHAHAHAHAH! Am darauffolgenden Tag fühlte Ich mich leider nicht wohl und wurde krankgeschrieben – weil mein Dienstauto auch nur geliehen war und dadurch stehende Kosten für Veloce verursachte, hatte dies zur Folge, dass jemand kam und meinen Dienstwagen samt dem Rest abholte. HAHAHAHAHAHAHAHAHAHAHAHAHAHAAHA! Was für unterschiedliche Situationen durch eine kleine Information. Genauso gut hätte Ich am Tag vorher unangekündigt ohne Auto, ohne Job und belogen an einem Parkplatz in der Industriepampa Großebersdorfs stehen und schauen können wie Ich weiterkomme. Was habe Ich gelernt mir zu denken? Arbeit ist ein sehr kompliziertes Thema und meine Position dazu noch nicht ganz fertig. Aber Ich denke mir in etwa: Arbeit machen wollen: gut – Arbeit machen müssen weil sonst Hunger und kein Bett: schlecht. Arbeit sollte dazu dienen eine Gesellschaft nachhaltig zu gestalten und erhalten. Menschen sollen die Möglichkeit haben Ihre jeweilige Rolle suchen und finden zu können, ohne mit der ständigen Angst vor dem Zusammenbruch der Existenz durch den Verlust von Einkommen, Versicherung, Wohnung, falls mal keine Arbeit da ist, leben können. Der nächste Lohn, die nächste Miete, eine unvorhersehbare Zahlung sind reale Sorgen, die ur viele Menschen jeden Tag heimsuchen. Das ganze Leben hängt davon ab, definiert sich dadurch, langfristig planen ist fast unmöglich. Dabei ist Lohnarbeiten nicht Menschsein. Körperlichkeit, Gesundheit, Beziehungen, Kümmern, Erziehen, Streiten, Weiterkommen – wie würde Menschsein wohl ausschauen? Es soll legitim sein sich fragen zu einer Welt ohne dieses elendig kurzsichtige Überleben zu stellen. Einem Arbeitgeber stelle Ich als Person meine äußerst wertvolle und begrenzte Ressource Zeit zur Verfügung. Es darf und soll nicht utopisch sein, zu verlangen, dass dementsprechend respektvoll damit umgegangen wird. Das bedeutet eine gut strukturierte Arbeit, die mich nicht an psychische und physische Grenzen treibt und gerecht entlohnt. Da, wo Grenzen überschritten werden, es gibt ja auch harte Jobs (Pflege, Industrie, etc.) muss die Aufwandsentschädigung dementsprechend ausfallen. Weil aber derzeit Arbeitgeber wissen, dass Arbeiter:innen auf Sie angewiesen sind, besser gesagt auf ihren Lohn, ist es ihnen möglich, sich nicht daran zu halten. Lohndumping, „Wettbewerb nach Unten, Leute feuern, die Betriebsräte gründen sind normale Praxen, einfach deswegen, weil das Unternehmen in keinem offensichtlichem Abhängigkeitsverhältnis zu seinen Arbeiter:innen steht. Was hat das jetzt mit Paketzustellerei zu tun? Der Kern der Arbeit; Kunden und Kundinnen etwas zu bringen, das Sie bestellt haben und worauf Sie sich im Normalfall freuen, kann sehr befriedigend und schön sein. Ein Dienstleistungsberuf eben. Allerdings werden diese Aspekte durch die Struktur dieser Arbeit ziemlich kaputtgemacht. Dafür verantwortlich sind mehrere Faktoren, die perfide ineinander miteinander agieren. Zu aller erst muss festgestellt werden, dass es sich um eine körperliche Arbeit handelt. Autofahren im urbanen Gebiet, Pakete finden und sortieren, Stiegen und Wohnkomplexe abgehen – unter anderem 7-10 Stunden am Tag, fällt unter diese Definition. Dazu kommt der künstliche/arbeitsimmanente Stress, der sich folgendermaßen zusammensetzt: Die Arbeit ist dann vorbei, wenn alle Pakete abgegeben sind. Es ist daher im Interesse der Arbeiter*innen effektiv zu arbeiten, um schneller mit der Arbeit fertigzuwerden. Zudem drohen seitens der Arbeitgeber negative Folgen, wenn die Arbeit nicht in einer gewissen Zeit beendet wird. Dieser hat dann nämlich Überstunden zu zahlen und daran hat er wenig Interesse. Langsame Fahrer*innen werden daher schnell entlassen. Das Gegenteil dessen, dass Arbeiter:innen vor der regulären Arbeitszeit fertig werden, birgt auch ein Problem für Arbeitgeber, der daraufhin gezwungen ist, diese in ihrer Freizeit zu entlohnen. An und für sich sind schnell arbeitende Fahrer:innen wünschenswert, da die Folgen allerdings dem wirtschaftlichen Ethos widersprechen, muss im Sinne der Profitmaximierung darauf reagiert werden. Etwa wird nach erfolgreicher Abgabe aller jeweiligen Pakete an einem Tag, der Auftrag erteilt anderen Fahrer:innen welche abzunehmen. So bleibt unter dem Deckmantel der Solidariät, gute Arbeit unbelohnt. Ist es der Fall, dass von einer Person über einen gewissen Zeitraum Zustellungen besonders schnell abgehandelt werden, fällt dies natürlich auf. Um die Arbeitskraft solcher Menschen optimal nutzen zu können wird diese Person stetig mehr Pakete pro Tag erhalten. So werden die Arbeiter*innen in eine permanente lose-lose-Situation manövriert. Gut arbeiten bedeutet sukzessive mehr Arbeit, schlecht arbeiten bedeutet Probleme bekommen. Dass der Arbeitgeber zu jedem Zeitpunkt über die Produktivität der einzelnen Arbeiter:innen Bescheid weiß, ist mehr als nur ein praktischer Zufall. Die Scanner, die alle immer bei sich tragen, in die sich alle mit ihren persönlichen Daten einloggen und die jeden einzelnen Arbeitstag maßgeblich bestimmen, sind selbstverständlich mit GPS ausgestattet und jederzeit von den Dispatchs auffindbar und einsehbar. Einmal ist es mir passiert, dass Ich eine falsche Autobahnausfahrt genommen habe und deswegen eine große Entfernung zu meiner eigentlichen Route hatte, bei der nächsten Ausfahrt war ich zwar wieder on track, dennoch erhielt Ich prompt einen Anruf mit der Frage wo und warum Ich da bin. Der Zeitverlust betrug weniger als fünf Minuten. Da jede einzelne Aktion über diesen Scanner durchgeführt werden muss, von der Tourenplanung bis zur Buchung jeder Zustellung, weiß jede:r Fahrer:in, dass jeder Schritt potenziell nachverfolgt werden kann. Big Brother lässt grüßen. Die Folgen dieses Systems sind, dass sich Arbeiter:innen ständig der Frage stellen müssen, ob sie genug arbeiten, um genug zu verdienen, nicht zu viel arbeiten, um noch Freizeit zu haben aber nicht zu wenig arbeiten, um nicht auffällig zu werden. Denn wer zu auffällig wird, muss mit einer Entlassung rechnen – allein während meiner Zeit habe Ich vier Kollegen mitbekommen, deren Zeit bei dem Unternehmen schneller vorbei war als meine. Dies hatte kaum Auswirkungen auf die Produktivität des selbigen. Denn woran es derzeit nicht mangelt sind junge Menschen auf Arbeitssuche, deren Ansprüche Veloce mehr als gerecht wird. Freigewordene Stellen nachzubesetzen fällt nicht schwer. Gleichzeitig bedeutet das aber für alle jene, die im Moment in einem Dienstverhältnis stehen, dass Ihre Stelle kaum längerfristige Sicherheit bedeutet. Ganz im Sinne des freien Warenhandels. Soviel zu den Arbeitsbedingungen. Neben diesen definiert sich Arbeit auch durch Entlohnung, also kutz dazu: Es gibt viele anstrengende Berufe. Meistens fordern diese auch eine dementsprechende Entlohnung. Und auch für Paketzusteller*in, wäre eine adäquate Bezahlung natürlich angemessen. Der aktuelle Kollektivvertrag für 40 Wochenstunden liegt bei 1506,34€ brutto, zusätzlich gibt es sogenannte Diäten für jede gearbeitete Stunde. Dadurch lassen sich schon mal bis zu 2300€ im Monat verdienen, je nachdem ob mensch sechs Tage die Woche fährt. Viel Zeit für anderes bleibt dann aber auch nicht. Ebenfalls in diesem geregelt; Sonderzahlungen, Urlaubszuschüsse, und Weihnachtsremuneration. Diese sind erst nach dem zweiten Monat Dienstverhältnis zu entrichten. Zusammenfassend kann gesagt werden: Es ist ein Job, der hauptsächlich alleine passiert. Er ist nicht abwechslungsreich, sondern sehr monoton. Einfluss auf die Prozesse zu nehmen, ist eigentlich nicht möglich - entweder Sie passieren oder nicht – das Wie spielt keine Rolle. Körperlicher und psychischer Stress sind vorprogammiert. Stressresistenz, Flexibilität und kund:innenorientiertes Arbeiten sind essenziell. Aufstiegsmöglichkeiten, in Gehalt oder Position gibt es kaum. Trotz alldem oder gerade deswegen ist eine gute Stimmung im Betrieb und in weiterer Folge gusche Arbeiter:innenschaft essenziell für das Bestehen dieser Unternehmen. Um dies zu erhalten werden Methoden benutzt, die nichts anderes als geschickte Tricks sind: Bosse oder Vorgesetzte gibt es nicht, stattdessen werden moderne und unbehaftete Begriffe wie Dispatchs und das Büro benutzt. Alle Duzen sich und Arbeitsmitteilungen werden ganz locker auf WhatsApp verschickt. Im ersten Moment mag das modern und freundschaftlich wirken, doch sind diese Methoden nichts weiter als Fassade um real existierende Hierarchien und ungleiche Kräfteverhältnisse unter den Teppich zu kehren. Es soll der Eindruck eines Wirs entstehen, dass gemeinsam an einem Strang zieht. [Foto in Amazon] Ich denke, dass dadurch ein Vakuum entsteht. Unzufriedenheit, Stress und Probleme, die durch die Arbeit entstehen, erhalten keine Adressaten, da der Eindruck entsteht nur das Individuum ist für die jeweiligen Lösungen verantwortlich. Dass es die Möglichkeit gibt diese Probleme gemeinsam zu benennen und zu bearbeiten, etwa durch Betriebsräte & Gewerkschaften, ist durch die Zusammensetzung und Organisation der Arbeit schwierig zu erkennen und fast unmöglich umzusetzen. Ein kleiner Ausschnitt aus einem Gespräch, der vielleicht hilft meinen Gedanken zu verstehen. [https://www.youtube.com/watch?v=Zm5tpQp6sT4 28:00] Es sind gestörte Logiken, die dies Legitimieren und Gutheißen. Beobachtungen Natürlich muss Ich mir bei dieser ganzen Geschichte meiner durchwegs privilegierten Position bewusst sein. Sie beginnt mit der Tatsache, dass Ich diesen Job nie machen musste. Die Kündigung hatte keine weiteren Konsequenzen für mich, finanziell und sozial bin Ich zu jedem Zeitpunkt abgesichert, Armut droht mir momentan nicht, meine Familie ist nicht von dem Geld abhängig. Ich habe und hatte in meinem Leben viel Zeit um mich Dingen wie, Sinnhaftigkeit und Erfüllung auseinanderzusetzen. Ich konnte mir Fragen stellen, die andere aufgrund ihrer vorhandenen Ressourcen nicht können. Auch mit dem Vorwurf des Sozialvoyerismus habe Ich mich zwangsläufig auseinandergesetzt. Außerdem besetzte Ich zu der Zeit einen Posten, den jemand, der:die eventuell darauf angewiesen ist, nicht bekommt. Als Freund und absoluter nicht-Experte von Marx & the Gang, gefällt mir die Idee, dass Betriebe von den arbeitenden Menschen und nicht irgendwelchen Büromenschen geleitet werden. Um dieses Ziel zu erreichen braucht es gewisse Maßnahmen und über diese zu denken, ist viel einfacher als sie umzusetzen. Ein Typ wie Ich, mit eher negativer Streetcredibility, der also in einen solchen Betrieb geht, ein paar Gespräche mit Kollegen über die Arbeitsbedingungen anreißt, genügt da nicht. Eine weitere Beobachtung. Durch meine Erziehung und mein Großwerden in Wien, hatte Ich schon früh die Möglichkeit die deutsche Sprache samt Wiener Eigenheiten zu meiner Eigenen zu machen und Sie sogar situationselastisch anzupassen. Dazu kommt, dass Ich auch wie ein echter Österreicher aussehe. Es gibt kaum negative Vorurteile über Menschen wie mich in Wien. Auch das hat mir einen nicht außer Acht zu lassendem Vorteil erbracht, vor allem wenn es darum ging, Päckchen an Nachbar:innen zu bringen. Mir fiel es wirklich selten schwer, irgendwen zu finden, an den:die Ich das Päckchen schlussendlich abgeben konnte. Hin und wieder waren das sogar nette Momente, Höhepunkte eines Arbeitstages. Durch Geschichten wurde mit klar, dass es nicht allen so erging, vielen meiner nicht-weißen Kollegen wiederum wurde oftmals gar nicht die Türe aufgemacht, obwohl eindeutig Menschen zu hören waren. So etwas hat (nebst den psychischen auch) Konsequenzen für die weitere Arbeit. Durch das nicht-aufmachen, entstehen Frust und Zeitdruck. Diese führen dazu, dass Pakete einfach vor Türen oder anderen nicht vorgesehenen Orten abgestellt werden. Eh klar. Nur, was dann folgt sind Beschwerden und Concessions - Probleme für die Fahrer:innen. Gleichzeitig werden im öffentlichen Diskurs Paketzusteller:innen nicht selten als schlampig und faul dargestellt. Klassische Stereotype, die ebenfalls gerne Nicht-Weißen zugeschrieben werden. Und hier beißt sich doch die Katze in den Schwanz. Dabei liegen die Gründe dafür ja offensichtlich ganz woanders. Stress, Leistungsdruck und Rassimus. Aber es ist weniger lustig sich darüber aufzuregen. Und bitte nicht vergessen: in Wien kommen die allermeisten Päckchen sicher an Ihr bestimmtes Ziel. How does it feel?l Wie auch in anderen Dienstleistungsberufen, entsteht mal schneller mal langsamer, eine ambivalente Haltung den eigenen Kund:innen gegenüber. Es ist klar, ohne diese kein Geschäft, keine Arbeit, kein Geld. Aber auch kein sechster Stock ohne Lift, keine unauffindbaren Adressen, kein „Warum kommt das erst heute, obwohl Ich vorgestern bestellt habe!?“ Ein natürlicher Schutzmechanismus darauf ist dieser spezielle Zynismus. Er hat sich bisweilen in allen meinen Jobs, die mit Menschen zu tun haben, wiedergefunden. Wahrscheinlich auch in anderen. Es ist eine Bewältigungsstrategie, die schnell und heilsam wirkt. Eine Möglichkeit Distanz zu Alltäglichem zu gewinnen. Gewissermaßen auch paradox den Stress des Berufs an jenen auszulassen, die ihn in Anspruch zu nehmen. Aber wichtig um weitermachen zu können, einen bisschen Frust abzubauen oder auch mal ein Lob aussprechen, wenn sich mal wer nicht ganz so dumm angestellt hat. Natürlich nur für sich. Tut gut und niemandem weh. In meinen Monaten bei Veloce fiel dieser Arbeitszynismus besonders stark aus. Es war die Selbstverständlichkeit mit der akzeptiert wurde, dass fremde Menschen die eigenen Konsumgüter bis an die Haustüre direkt ins Privateste bringen.Es gab Tage da fand Ich diese Tätigkeit absurd, es wirkte surreal was Ich tat. Sich von Tür zu Tür zu schleppen und den Menschen ihren Einkauf bringen. Ich fragte mich ob es dann überhaupt noch einen Raum frei von Konsum und Geldausgeben gibt, wenn es nicht einmal mehr die eigenen vier Wände sind? Dieser Mensch muss nirgends mehr hin, um Etwas zu besorgen. Mittlerweile wissen wir doch dass Nachfrage etwas ist, dass oft künstlich erschaffenes wird. Durch Werbung zum Beispiel. Mehr als der:die Konsument:in, freut sich das andere Ende über jedes Verkauftes Ding. Alle die fett Cashmoney mit dem Verkauf von Dingen machen. Ist das der konsequente Schritt einer Konsumgesellschaft? Dass Kaufen immer und überall passieren kann. Es gab Tage, da fiel es mir wirklich schwer meine Kund:innen wertzuschätzen. Nicht, dass Ich ungut war oder 'schlecht arbeitete'. Mich störte, dass Sie nicht sahen, was Ich sah, dass das doch komplett irre ist. Vielleicht haben Sie es eh gesehen, aber das hab Ich dann nicht gesehen. Einmal gruselte mich der Gedanke durch wie viele Hände und Stationen dieser australische Bio-Holzdildo geglitten war, bevor Ich ihn an eine Wiener Adresse Zustellen durfte. (Dass es sich um dieses Produkt handelte, wusste Ich weil es ausnahmsweise in einer eigenen Verpackung war, anstatt der allbekannten Kartonschachtel mit Amazon-Logo. [Notiz am Rande: Macht aber keinen großen Unterschied, wenn mensch bedenkt dass jenes Logo ebenfalls wie ein krummer erigierter Penis von unten betrachtet, aussieht. Cannot unsee.]) Foto Logo Als Paketzusteller:in steht mensch am allerletzten Ende einer riesigen logistischen Kette von Abläufen. Jeden Tag hunderte Male letztes Glied. Der Aufwand nötig für den Erhalt dieses Systems – gigantisch. Das kann auch als beeindruckend empfunden werden, dieser menschengemachte Komplex, damit Dinge von hier nach dort gelangen. Weniger beeindruckend ist es, wenn es Güter sind, die diesen Aufwand gefühlt nicht Wert sind. Einmal waren das 12 Liter Waschmittel, obwohl im selben Haus eine Drogeriekette ihre Filiale hatte. Das kann noch so verbilligt sein – diese Rechnung ging mir nicht auf. An der Tür entgegengenommen, als sei es das Normalste auf der Welt. Ist es das, hab Ich was verpasst? Es war diese Selbstverständlichkeit bei der Annahme, von der mein Zynismus sich genährt hat. Die Frage nach der Notwendigkeit jeder Bestellung – die Antwort im Kopf: Nein Dieser riesige Aufwand nur damit Irgendwer ein Ding bekommt. Ich möchte nicht bestreiten, dass es tatsächlich Gegenstände und Produkte gibt, die notwendig und schwierig zu erhalten sind, wo es voll verständlich ist, dass sie geliefert werden. Oder auch nicht, who am I to judge? Aber und ohne jetzt zu viel Schwarzmalerei betreiben zu wollen, wir stehen in Anbetracht einer Klimakrise mit unvorhersehbaren Folgen für Mensch und Umwelt und es ist klar, dass um das zu entschärfen unsere Gesellschaft anders organisiert sein müsste, denn es ist nicht der Privatkonsum, der uns an die Wand fährt – aber trotzdem. Wenn Ich aber daran zurückdenke, wie unzählbar viele Fahrer:innen allein für Amazon pro Tag unterwegs waren, dabei gibt es ja noch die Post, DPD, DHL, GLS, UPS, und kleinere Unternehmen, welche ebenfalls zur gleichen Zeit an die selben Gebiete und Adressen liefern, dann denke Ich mir schon, ein bisschen übertrieben, oder? Natürlich, durch Lockdowns und Pandemie ist es tatsächlich schwierig geworden gewisse Dinge zu besorgen. Selbstverständlich wird dann mehr Online bestellt. Aber wird es wirklich anders sein, sobald das vorbei ist? Zur Pandemie noch aus meiner persönlichen Sicht. Im Stiegenhaus vor der eigenen Türe, schien es diese eigentlich nie zu geben – grundsätzlich wurde ohne Maske und Abstand entgegengenommen. Das war den Menschen schon eher egal, dass da irgendwelche Typen, die hunderte solcher Treffen täglich haben, ihnen gegenüber standen. Fahrer:innen mussten verpflichtend immer einen FFP2-Mundschutz zur Zustellung tragen. Die Zahl jener Menschen, die mir über den gesamten Zeitraum hinweg mit Maske entgegengetreten sind, lässt sich an Händen und Füßen abzählen. Eine Wunschliste Trotz dem Wissen, das uns derzeit über Amazon zur Verfügung steht; die miserablen Arbeitsrealitäten vieler Beschäftigter, zur nicht-Zahlung adäquater Steuern, Überwachungsvorwürfe, Marktmachtmissbrauch und vieles mehr, ist derzeit kein Ende dieses Geschäftsmodell in Sicht. Im Gegenteil, kaum eine Branche boomt derzeit so stark wie der Onlinehandel. Zu praktisch im nächsten Moment Zugriff auf jedes erhältliche Produkt zu haben. Die derzeitige Situation, die viele Einzelhändler:innen zwingt, geschlossen zu bleiben, beflügelt dieses Geschäft weiter. Aus Sicht der Paketzusteller:innen macht es tatsächlich wenig Unterschied wer letztendlich der Händler ist, die Arbeitsbedingungen sind überall ähnlich. Was hätte Ich mir von Konsument:innen gewünscht? Schritt 0) Sich fragen, wann und ob die Lieferung eines Konsumguts durch einen anderen Menschen bis an die eigene Haustüre eine gesunde Normalität für Sie darstellt. Schritt 1) Nicht online nach Hause bestellen, möglichst vielen im eigenen Umfeld davon abraten. Schritt 2) Wenn etwas bestellt werden muss, dann in die jeweiligen Geschäfte bestellen und von dort abholen. Viele Einzelhändler:innen bieten diesen Service an. Normale Liefertransporte (z.B. Thalia für Bücher) haben andere Beschäftigungsverhältnisse. Schritt 3) Wenn doch nach Hause bestellt wird, dann Trinkgeld geben oder angemessene Dankbarkeit zeigen. Nicht böse sein, wenn dann nix zurückkommt. Schritt 3.5) Unbedingt Adressen bei Online-Formularen richtig ausfüllen! Eventuell ins Zusatzfeld noch Stockwerk oder andere Hilfestellungen angeben. Wirklich wichtig. Schritt 4) Pakete für Nachbar:innen annehmen. Wenn es im Moment nicht geht, freundlich ablehnen. Es ist in Ordnung sich daraufhin schlecht zu fühlen, aber wirklich niemanden interessiert das und schon gar nicht warum ausgerechnet jetzt nicht dieses eine Paket für diese eine Person angenommen werden kann, weil deren Goldfisch euch mal schräg angeschaut hat. Schritt 4) Wenn in einem Haus mit Lift, der nur mit Schlüssel bedienbar ist, gewohnt wird; sich darum kümmern, dass dieser Blödsinn abgeschafft wird, den Lift runter schicken/zugänglich machen. Was wünsche Ich mir von Leuten, die mehr Möglichkeiten haben? Schritt 0) Sich mit den Arbeitsbedingungen in dieser Branche auseinandersetzen und verbessern Schritt 1) Sich damit auseinandersetzen, dass es mit der Zeit mehr wird und es besser ist Lösungen vor Problemen zu haben Schritt 2) Bessere Stellplätze für Paketzustelldienste und Post Schritt 3) Stiegen und Stockwerke erkennbarer Gestalten Schritt 4) Briefkästen vergrößern – Abholstationen in Häusern